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Gesamtschule Schermbeck: Erinnerung ist die Verantwortung der Gegenwart

Von Tanne Brodel
12.11.2024 Schermbeck. Auch in diesem Jahr organisierte die Gesamtschule Schermbeck eine Gedenkveranstaltung zum geschichtsträchtigen 9. November. An verschiedenen Gedenkorten in Schermbeck -Stolpersteine, Jüdischer Friedhof, Mauerstück auf dem Schulhof- wurden Schülerreferate gehört.

Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur kognitiv gebildet werden, sondern sie sollen auch als mündige Bürger und Bürgerinnen in die Gesellschaft entlassen werden. Und dazu gehört eben nicht nur Bildung; sondern auch Zivilcourage. Und das Wissen darum, wo wir herkommen und was in der Menschheitsgeschichte schon alles passiert ist, so der Schulleiter der Gesamtschule Schermbeck „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, auf dem Weg zu dem Berliner-Mauerstück, das vor der Schule, 2015, als Mahnmal aufgestellt wurde.
Christoph Droste stellt sich neben die Geschichtslehrerin Anna Zerhusen, die bereits mit einem Mikrofon in der Hand, auf den Beginn der Veranstaltung wartet. Ca. 50 Schülerinnen und Schüler der Oberstufe stehen mehr oder weniger frierend, mit Mützen und Schals ausgestattet im Halbkreis um das Mauerstück herum. Eine Mischung aus Anspannung und Erwartung liegt in ihren Gesichtern. Der 09.11. ist ein geschichtsträchtiges Datum. Einerseits markiert dieses Datum den Fall der Berliner Mauer 1989 und dem Beginn der Wiedervereinigung, sowie andererseits auch die Reichsprogromnacht von 1938.

Beiden Ereignissen soll heute von den Schülerinnen und Schülern Erinnerung geschenkt werden.
Emily Flade und Paula Abelmann kommen nach vorne und verlesen abwechselnd Texte, die sie zum Thema der Teilung Deutschlands vorbereitet haben. Sie berichten von den historischen Zusammenhängen und betonten die Verantwortung, die wir alle gemeinsam für die Erhaltung der Demokratie tragen.
Um die Eindrücke noch plastischer zu vermitteln lesen mehrere Schülerinnen und Schüler Zitate von Zeitzeugen vor, die die Zuhörenden sichtlich betroffen machen.
Der Anspruch, den die Gesamtschule heute an den Umgang mit Geschichte demonstriert, beinhaltet auch, dass alle Teilnehmenden verstehen, dass jeder Mensch tagtäglich eine Entscheidung treffen kann, wie er leben möchte. Die Schülerinnen und Schüler werden zu Zivilcourage gegen jegliche Form von Rassismus, Antisemitismus und alle anderen diskriminierender Verhaltensweisen, ermutigt. Die Schule fordert zu eigenständigem Denken und Handeln auf und bietet durch die Form der Unterrichtsgestaltung eine breite Basis an Inhalten an, die zur Entscheidungsfindung in diesem ethischen und politischen Prozess befähigen soll. „Und vielleicht“, so Christoph Droste, „auch dazu, Mauern in Köpfen einzureißen“.
Vom Mauermahnmal ausgehend beginnen die Jugendlichen einen Rundgang durch Schermbeck, um die hier verlegten, sogenannten, Stolpersteine aufzusuchen. Sie sind Teil eines großflächigen Projekts des Künstlers Gunter Demnig, das an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Auf den kleinen Messingtafeln, die in den Gehweg integriert wurden, stehen unter anderem die Namen der Opfer, Daten der Deportation und Ermordung.

An zwei Stolperstein-Stationen erinnern die Schülerinnen Ema Khalaf und Beyza Arik an das Schicksal mehrerer jüdischer Mitbürger und Mitbürgerinnen, die in Schermbeck gelebt haben und an die Verfolgung, der sie in der Zeit des Nationalsozialismus ausgesetzt waren. An ihre Deportation und Vertreibung. Das Verlesen mehrerer Zeitzeugenzitate lässt den Kreis der Umherstehenden gänzlich verstummen.
Die Schülerinnen und Schüler der 10b, die gemeinsam mit ihrer Klassenlehrerin Diane Wirtz eine Klassenfahrt nach Hamburg unternommen haben, berichten von einem Besuch der KZ-Gedenkstätte Neuengamme.


Sie verlesen einen Text von Johannes Triptrap und ein selbstgeschriebenes Gedicht von Emily Schmidt:
Meine Gedanken so leer
Die Vergangenheit – sehr schwer
Die Verfolgung in der NS-Zeit
vergisst keiner mehr.

Ich ging durch Neuengamme
mit Trauer und Schmerz,
mich verließ mein Herz.

Der Ort – so düster
trotz helllichtem Tag.
Die Häuser sind leer
doch die Stimmen sind da.

Die Kinder schreien
Die Hoffnungen gedeihen
und alle weinen.

Der Schuldirektor Christoph Droste legt eine weiße Rose auf die Stolpersteine. „Die weiße Rose ist das Symbol des Widerstands. Ein Nein zu Menschenverachtung. Ein Nein zu Hetzte und den schrecklichen Taten und dass sich das nicht wiederholen darf. In diesen Zeiten schauen wir in die USA oder ins eigene Land. Wenn politische Verunsicherung entsteht und wir mehr denn je dafür einstehen müssen, dass Freiheit und Demokratie geschützt wird“, so Christoph Droste.
Der jüdische Friedhof, ist die letzte Station. Die Schülerinnen und Schüler haben im Geschichtsunterricht mit ihrer Lehrerin Anna Zerhusen, einfühlsame und respektvolle Texte, Zitate und Gedichte geschrieben, die sie vor dem Friedhof stehend verlesen.
Sie legen im Anschluss kleine Steine auf die Grabsteine und stellen Grablichter auf. Das gemeinsam gesungene Lied Hava Nagila verbindet zum Abschluss alle Anwesenden miteinander.
Auf dem Rückweg zur Schule berichtet der Schulleiter Christoph Droste, dass eine Schülerin ihn am Friedhof angesprochen und ihm ihre Erkenntnis des Tages mitgeteilt hat.
Sie lautet: „Nie wieder ist jetzt“. Vier Worte, die alles Gesagte auf den Punkt bringen. Ein passendes Fazit des Tages.

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